Räume frei?

English Version

Transformations everywhere you look. Three years of pandemics behind us, the upheavals of the climate crisis ahead, and in the midst of new wars sparked by old logics of occupying space.Where is the journey going, what are we leaving behind, what are we taking with us – and who is in charge?
While the room for manoeuvre around us seems to be increasingly narrowing, some people continue to cultivate a concept of freedom that ultimately only serves to preserve the status quo.The main thing is that the free play of market forces remains largely untouched. Moral compass?- No such thing.
The battles extend into language. »One should still be allowed to say that« vs. »It’s better not to say that any more«. Free speech, but what where how?* the neoliberal privatisation furore now occupies almost the last spaces where the encounter of different interests used to determine the rules of language and behaviour. Today, „public“ seems to have been relegated to niches, the logic of consumption dominates the rest of the map. And customers, as we know, are kings.
Where is our room for manoeuvre in the multiple crises? Do classic methods and means still apply here? What stands in the way, what hinders progress?
We will have to part with some things we have come to love. Not in a totalitarian gesture of clearing the air. But bit by bit. As quickly as possible, but at a pace that does not completely overwhelm. „The way out is the way through.“ (William S. Burroughs). Renunciation and sustainability are the keywords of the hour. Less meat, flights, fossil energy; less consumption overall. Post-growth, minimalism, green shrinking. At least for affluent societies, right?
And what about less art? Here, renunciation (keyword: system relevance) seems to have been easier recently than many, especially freelance artists, had hoped. But wasn’t the pre-pandemic art and culture business also rather overheated, revolving too much around itself, caught in the compulsion of permanent production and consumption? What could be a „free time“ that frees itself from this?
Experience shows that for every door that closes, a new one usually opens somewhere. The independent scene, then, has recently been increasingly reflecting on its know-how as a free fighter: it is experimenting with new ways of leaving the traditional production logics behind and shifting more towards making things that are closer to everyday life. She also questions her own bubble formation more often, reacts to a society that is becoming more diverse and works to break down barriers. It tries to reclaim public spaces for the free play of the many, or creates new »third places« for meeting and researching together.

MADE. 2023/24 therefore wants to break out of its own comfort zones, as it were, to look for other approaches to society. This MADE.DATE newspaper is a first expression of this. By seeking out and programming interfaces and alliances between the performing and neighbouring arts even more decisively, the concept of FREE SCENE is to be examined, thought of more broadly, practised more radically.As a free port to which all can dock who are interested in a good life for all and the unleashing of »freedom energies« – also in and for the future.

*And how do you gender? In this newspaper we have opted for sign diversity!


Transformationen wohin man blickt. Drei Jahre Pandemie hinter uns, die Umwälzungen der Klimakrise vor uns, und mittendrin in neuen Kriegen, entfacht von alten Raumbesetzungslogiken. Wohin geht die Reise, was lassen wir zurück, was nehmen wir mit – und wer hat dabei das Sagen?Während um uns herum die Handlungsspielräume sich zunehmend zu verengen scheinen, pflegt so mancher einen Freiheitsbegriff weiter, der doch letztlich nur der Bewahrung des Status quo dient. Hauptsache, das freie Spiel der Marktkräfte bleibt weitestgehend unangetastet. Moralischer Kompass? – Fehlanzeige.
Die Kämpfe gehen bis in die Sprache hinein. »Das wird man doch noch sagen dürfen« vs. »Das sollte man so besser nicht mehr sagen«. Frei Sprechen, aber was wo wie?* der neoliberale Privatisierungsfuror hält inzwischen beinahe noch die letzten Räume besetzt, in denen früher die Begegnung unterschiedlicher Interessen die Sprach- und Verhaltensregeln bestimmten. »Öffentlichkeit« scheint heute in Nischen verdrängt, den Rest der Landkarte beherrscht die Logik des Konsums. Und Kunden sind bekanntlich Könige.
Wo sind unsere Spielräume in den multiplen Krisen? Greifen hier noch klassische Methoden und Mittel? Was steht im Weg, was hindert das Fortkommen?
Wir werden uns von einigem Liebgewonnenem trennen müssen. Nicht durch eine totalitäre Geste des Reinen-Tisch-Machens. Sondern Stück für Stück. So schnell wie möglich, aber in einem Tempo, das nicht komplett überfordert. »Der Weg nach Draußen ist der Weg hindurch.« (William S. Burroughs). Verzicht und Nachhaltigkeit sind die Stichworte der Stunde. Weniger Fleisch, Flüge, Fossilenergie; insgesamt weniger Konsum. Postwachstum, Minimalismus, Grünes Schrumpfen. Zumindest für die Wohlstandsgesellschaften, oder?
Und was ist mit weniger Kunst? Hier scheint die Entsagung (Stichwort: Systemrelevanz) zuletzt leichter gefallen zu sein, als viele, vor allem freischaffende Künstler:innen sich das erhofften. Doch war der prä-pandemische Kunst- und Kulturbetrieb nicht auch ziemlich heißgelaufen, hatte zu sehr um sich selbst gekreist, gefangen im Zwang permanenter Produktion und Konsumtion? Was könnte eine »Frei-Zeit« sein, die sich hiervon frei macht?
Erfahrungsgemäß geht in der Regel für jede sich schließende Tür irgendwo eine neue auf. Die Freie Szene also, sie besinnt sich in letzter Zeit zunehmend wieder auf ihr Know-how als Freikämpferin: Sie experimentiert mit neuen Möglichkeiten, aus den überkommenen Produktionslogiken auszusteigen und sich mehr aufs alltagsnahe Machen zu verlegen. Sie hinterfragt häufiger auch ihre eigene Blasenbildung, reagiert auf eine diverser werdende Gesellschaft und arbeitet daran, Barrieren abzubauen. Sie versucht, öffentliche Räume für das Freispiel der Vielen zurückzuerobern, oder schafft neue »Dritte Orte« für das gemeinsame Begegnen und Forschen.

MADE. 2023/24 möchte daher gleichsam aus den eigenen Komfortzonen ausbrechen, um nach anderen Annäherungen an Gesellschaft zu suchen. Die vorliegende Zeitung zum MADE.DATE ist ein erster Ausdruck davon. Indem Schnittstellen und Allianzen zwischen den Darstellenden und den benachbarten Künsten noch entschiedener aufgesucht und programmiert werden, soll der Begriff FREIE SZENE überprüft, größer gedacht, radikaler praktiziert werden. Als Freihafen, an den sich alle andocken können, die an einem guten Leben für alle und dem Entfesseln von »Freiheitsenergien« interessiert sind – auch in und für Zukunft.

Katja Hergenhahn und Steffen Lars Popp, Künstlerische Leitung MADE.

* Und wie gendern Sie? In dieser Zeitung haben wir uns für Zeichendiversität entschieden!